Der Beamte meldete sich, teilte dem Anrufer mit, dass jetzt das Amt am Telefon sei und fragte nach dem gewünschten Gesprächsteilnehmer. Anschließend rief der Beamte am Klappenschrank dem Beamten am Schaltschrank zu, welche Verbindung er herstellen soll. In größeren Vermittlungsstellen jedoch, in denen es mehrere Schalttafeln gab und das Zurufen nicht mehr möglich war, wurde diese Information durch einen Laufburschen übermittelt. Wurde das Gespräch beendet, so mussten beide Teilnehmer wieder die Kurbel betätigen um im Vermittlungsamt anzuzeigen, dass die Leitung wieder frei ist. Die Klappe wurde wieder zurückgesetzt und der Beamte am Schaltschrank stöpselte wieder aus.
Bis eine Verbindung so hergestellt wurde, dass ein Gespräch aufgenommen werden konnte, dauerte es bis zu 5 Minuten. Vor allen in größeren Städten war diese Vermittlungstechnik sehr umständlich. Dies führte dazu, dass sie weiterentwickelt wurde: Leroy Firman, Generalmanager der American District Company entwickelte 1879 den „Mehrschaltschrank“. Durch „Parallelschaltung“ konnten alle Verbindungen vom gleichen Schaltschrank hergestellt werden.
Zunächst wurde diese Vermittlungstätigkeit von Männern ausgeführt, doch schon bald wurden Frauen eingesetzt („das Fräulein vom Amt“). Dass die Vermittlungstätigkeit ein typischer Frauenberuf wurde, war nicht zuletzt darauf zurück zur führen, dass diese wesentlich günstiger entlohnt werden mussten.
Vermittlungsamt Dortmund, 1901
Die Verbreitung des Telefons - Die Entwicklung in Europa
Unterschiedliche Umgangsformen im gesellschaftlichen, geschäftlichen und politischen Leben wirken sich in Amerika günstiger auf die Verbreitung des Telefons aus.
Während in Deutschland die klare Trennung zwischen Ober- und Unterschicht eine rasche Verbreitung des Telefons verhindert, wirken in Frankreich und England noch die Direktheit und Unpersönlichkeit des Telefons einer allgemeinen Akzeptanz entgegen.
In Österreich ging auf Grund von sehr steifen und förmlichen Umgangsformen, die das geschäftliche und gesellschaftliche Leben dominierten, die Verbreitung des Telefons am Langsamsten voran. So besaß 1911 bereits jeder 29. Däne und jeder 62. Deutsche einen Telefonanschluß, in Österreich jedoch nur jeder 250. Haushalt.
Insgesamt hinkte sowohl die technische Entwicklung als auch die Verbreitung der Sprechstellen in Europa bis zum Ende des 2. Weltkrieges der Entwicklung in Nordamerika hinterher. Als Gründe für den Vorsprung Amerikas sind zum einen staatliche- oder halbstaatliche Monopole und die daraus resultierende fehlende Konkurrenz, zum anderen die deutlich schwächer entwickelte Geräteherstellerindustrie in Europa.
Während in Amerika die National Telephone Exchange Association seit 1880 jährlich Tagungen hielt, fand in Europa auf Grund des politisch bedingten großen Misstrauens zwischen den wichtigsten Staaten der europäischen Telefonindustrie (Deutschland, Frankreich, England), kein regelmäßiger Austausch statt.
Die Entwicklung in Deutschland
In Berlin gab zunächst noch es kein Bedarf nach einem Telefonnetz. Erst durch intensive Bemühungen des damaligen Generalpostmeisters Heinrich von Stephan (1831-1897), der gleich die Vorteile eines Fernsprechnetzes erkannte, wurde das Telefon als öffentliche Fernsprecheinrichtung zunächst als Ergänzung zum Telegrafendienst von der deutschen Reichspost betrieben.
Diese bestand sowohl aus politischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen von Anfang an auf ihrer Monopolstellung bei der Nachrichtenübermittlung.
Schon bald regte sich vor allen auf Seiten der Industrie und der Geschäftsleute der Wunsch nach einem eigenen Telefonnetz. So entstand in Frühsommer 1880 die Diskussion innerhalb der Reichspost wie und von wem die Telefonnetze errichtet und betrieben werden sollen. Die Entscheidung fiel zugunsten der Reichpost, die das bereits bestehende Telegrafenmonopol auf dem Telefondienst ausdehnen sollte. Der Antrag auf Zulassung der Bell-Company in Deutschland aus dem Jahre 1881 wurde abgelehnt.
Da für Deutschland außerdem keine Patentrechte erworben wurden, konnten Firmen wie Siemens ungehindert kostengünstig im Auftrag der Reichspost Fernsprecher nachbauen.
Zunächst wurden kleinere Postämter mit Fernsprecheinrichtungen ausgerüstet, um Telegramme per Telefon schneller zur nächsten Telegrafenanstalt
weiterzuleiten.
Das erste Ortsnetz in Deutschland wurde am 24.1.1881 in Mühlhausen errichtet und in Berlin am 1.4.1881. Bereits 1887 verband man Berlin und
Hamburg.
In Berlin wurden 1881 zwei öffentliche Fernsprechstellen zu Verfügung gestellt. Öffentliche Telefonzellen folgten, die an markanten öffentlichen Stellen aufgestellt und „ gekennzeichnet durch Emailleschilder, (...) nach und nach sowohl zu Kommunikationsstationen als auch zu markanten Orientierungspunkten“ wurden.
1930 gibt es bereits 60 000 Fernsprecher, welche teilweise dem Warten und dem Vandalismus zum Opfer fallen. So lautet ein aus den 20er in der Telefonzelle angebrachter Spruch: „Fasse Dich kurz, nimm Rücksicht auf Wartende!“
Nicht nur die schnelle anonyme Kommunikation wird durch die öffentlichen Fernsprechstellen ermöglicht, sondern auch „Generationen von Gangstern das Handwerk erleichtert.“ .
Für ein dreiminütiges Gespräch an einem öffentlichen Fernsprecher zahlte man um 1900 10 Pfennig für einen Orts- und 20 Pfennig für ein Vorortsgespräch, oder man hatte die Möglichkeit einen pauschalen Betrag von rund 200 Mark jährlich zu zahlen für die unbegrenzte Nutzung des Fernsprechers als Abonnent. Es waren sehr hohe Gebühren, die ca. ein Drittel des Jahreseinkommen eines Industriearbeiters ausmachten.