Die Komplexität des Themas macht eine Metapher zur Patronage deutlich:
„Patronage ist wie eine chemische Substanz, die in Kombination mit anderen Substanzen unterschiedlich reagiert, bei unterschiedlichen Temperaturen sozusagen, oder im Verlauf unterschiedlicher chemischer Prozesse. Auf einige Substanzen hat es überhaupt keinen Einfluss oder nur sehr geringen. Doch die Beziehung selbst bleibt immer erkennbar, und es ist sicherlich möglich, ihre Verhaltensmuster auch in unterschiedlichen Situationen herauszufinden.“( Antoni, Maczak) Polen, Klientel, System, Patronage, Patronen

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 Klientel System in Polen - 15 & 16 Jahrhundert aufgenommen

Die Komplexität des Themas macht eine Metapher zur Patronage deutlich: „Patronage ist wie eine chemische Substanz, die in Kombination mit anderen Substanzen unterschiedlich reagiert, bei unterschiedlichen Temperaturen sozusagen, oder im Verlauf unterschiedlicher chemischer Prozesse. Auf einige Substanzen hat es überhaupt keinen Einfluss oder nur sehr geringen. Doch die Beziehung selbst bleibt immer erkennbar, und es ist sicherlich möglich, ihre Verhaltensmuster auch in unterschiedlichen Situationen herauszufinden.“( Antoni, Maczak)

Die Komplexität des Themas macht eine Metapher zur Patronage deutlich:

„Patronage ist wie eine chemische Substanz, die in Kombination mit anderen Substanzen unterschiedlich reagiert, bei unterschiedlichen Temperaturen sozusagen, oder im Verlauf unterschiedlicher chemischer Prozesse. Auf einige Substanzen hat es überhaupt keinen Einfluss oder nur sehr geringen. Doch die Beziehung selbst bleibt immer erkennbar, und es ist sicherlich möglich, ihre Verhaltensmuster auch in unterschiedlichen Situationen herauszufinden.“( Antoni, Maczak)

Welche Bedeutung kann den Patron-Klient Beziehungen zugesprochen werden? Welche Folgen lassen sich für den Verlauf der politischen Entwicklung Polens skizzieren? War das Phänomen der Klientelbeziehungen ein polnisches Spezifikum? Es soll zunächst ein Überblick der politischen Entwicklung Polens dargestellt werden. Mit dem Wissen über die damalige politische Atmosphäre und die Staatsstruktur, widme ich mich dem wissenschaftlichen Ansatz, und werde versuchen die Charakteristika dieser Beziehungen deutlich zu machen. Schließlich erläutere ich anhand von Beispielen den aktuellen Bezug der Klientelbeziehungen zu heute. Die Quellen, die ich für diese Hausarbeit verwendet habe, vermischen sich mit Internetquellen, Aufsätzen und rein empirischen Ansätzen aus politischen und historischen Lexika. Eine besondere Quellengattung, stellt der Diskussionsbericht von Antoni Maczak dar. Verglichen mit der Komplexität des Themas, war die Auswahl an passender Literatur gering.

2. Überblick der politischen Entwicklung Polens 1492-1795
2.1 Das Staatssystem


Die Nationalversammlung (Sejm) und die Provinz- und Lokalversammlungen (Sejmiki) entstanden bereits 1492. Der Sejm war ein Zweikammerparlament, bestehend aus Abgeordnetenhaus und Senat; ersteres setzte sich aus den gewählten Repräsentanten der Sejmiki zusammen, letzteres aus dem hohen Klerus und den weltlichen Würdenträgern. Die Entstehung der Adelsdemokratie geht zurück auf das Fundamentalgesetz nihil novi (1505), welches formell die Macht des Sejm bestätigte. Von da an sollten alle Entscheidungen bezüglich des Systems nur mit Zustimmung aller drei am Sejm beteiligten Stände getroffen werden, nämlich des Königs, des Senats und der Abgeordnetenkammer.

Im 16 Jahrhundert gehörten der Szlachta, also der Adelsklasse 7-8% der Bevölkerung an. Innerhalb dieser Klasse gab es keine Rangtitel, die einen graduellen Unterschied in der Herrschaftswürde oder – autorität festgelegt hätten. Doch während einerseits diese rechtliche Gleichheit innerhalb des Adels bestand, die im neuzeitlichen Europa nirgendwo sonst anzutreffen war, gab es andererseits eine ökonomische Ungleichheit, die auf dem gesamten Kontinent in dieser Epoche ebenfalls keine Parallele fand. Ein großer Teil der Szlachta hatte die Anbaufläche, die einem durchschnittlichen Bauern entsprach. Ein anderer Teil bestand aus kleinen Gutsherren mit einem Besitz, der nicht mehr als nur ein oder zwei Dörfer umfasste. Innerhalb dieser nominell gleichgestellten Klasse gab es dann aber vor allem auch die Magnaten, denen die größten Besitzungen in Europa gehörten, riesige Latifundien, die sich hauptsächlich in Litauen oder dem ukrainischen Osten des Landes befanden. Im Laufe des 16 Jahrhunderts glich sich der litauische Hochadel in seiner Kultur und seinen Institutionen immer mehr dem polnischen Adel an. Das konstitutionelle Ergebnis dieser Annäherung war die Lubliner Union von 1569, die die beiden Reiche zu einem einheitlichen Staat vereinte, der Rzeczpospolita Polska, mit einer gemeinsamen Währung und einem gemeinsamen Parlament. Der koloniale Charakter der Herrscherklasse im Osten und Südosten wurde in der Größe ihrer Besitzungen deutlich. Der Widerspruch zwischen der Ideologie rechtlicher Gleichheit und dem Tatbestand enormer ökonomischer Ungleichheit erzeugte immer extremere Spannungen.


In diesem Paradies vermögender Großgrundbesitzer gab es keine zwingende Notwenigkeit, einen monarchisch-zentralistischen Staat zu errichten und einen großen Militärapparat gegen äußere Feinde aufzubauen. Zu einer Zeit, als überall in Europa der Absolutismus immer konkretere Formen annahm, wurde in Polen die Macht der Monarchie von der Aristokratie drastisch reduziert.

Die Szlachta, die in der Vergangenheit längst Privilegien erworben hatte, so z.B. 1425 das Recht neminem captivabimus, welches den Schutz vor willkürlicher Verhaftung und Beschlagnahme sicherte, erfreute sich 1572 weiterer Rechte. Mir dem König Heinrich von Valois wurden die berühmten Articuli Henriciani und die Pacta Conventa unterzeichnet und dienten nun als Verfassung des polnischen Staates. Der Monarch hatte nun auf die wesentlichen Regierungsbeschlüsse praktisch überhaupt keinen Einfluss mehr. Für jede politische Entscheidung war die Zustimmung des Sejm, der fortan alle zwei Jahre einberufen werden musste, notwendig.

Die politische Konsequenz dieser Entwicklung bedeutete auch, dass die Machtbegrenzung des Königs in dauerhafter Opposition zur Szlachta stand und ihn von den Tagesinteressen verschiedener Magnaten abhängig machte. Unter solchen Bedingungen war eine politische Zusammenarbeit des Adels mit dem König nur schwer zu bewerkstelligen. Für die Magnaten dagegen schuf die innere Zerstrittenheit und die Unmöglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen König und Szlachta eine günstige Situation zum Ausbau der eigenen gesellschaftlichen und politischen Rolle. Die Szlachta hingegen regierte als Subjekt politischer Akte und als Souverän, sowohl auf direkte, wie indirekte Weise. Die direkte Beteiligung erfolgte durch die freie Königswahl, wie am Sejm, den Provinziallandtagen und die Möglichkeit beim Interregnum oder einem Rechtsbruch des Königs, den Adel einzuberufen. Die indirekte Beteiligung erfolgte durch eine Elite, auf deren Funktionen und Zusammensetzung, ich im Laufe der Hausarbeit eingehen werde. Polen wurde nun eine Adelsrepublik mit König als Repräsentantenfigur. Ausländische Könige wurden von dem Adel bevorzugt, damit die Zentralgewalt schwach blieb.
Ein weiteres Privileg, dass sich der Adel von der Monarchie 1574 zusätzlich erwirkte, war das Recht über Leben und Tod seiner Leibeigenen frei bestimmen zu können (jus vitae et necis).
Der wesentliche Grund, wieso sich die Zentralgewalt in Polen nicht herausbilden konnte, liegt in der Einführung des liberum veto. 1652 wurde es erstmalig angewandt.

Das Recht besagte, dass das Parlament fortan nur noch einstimmige Beschlüsse zu fassen habe. Mit einer einzigen Gegenstimme konnte der Sejm aufgelöst und der gesamte Staatsapparat lahm gelegt werden. Unter dem Verständnis der damaligen Menschen kam eine mechanische Entscheidung darüber, wer Recht hat, durch ein Zählen der Stimmen nicht in Frage. Die Wahrheit oder die Richtigkeit dieser oder jener Haltung konnte nicht von der Anzahl der Kreuzchen oder Stimmen abhängen, sondern folgte aus dem Gewicht der Argumente und dem Diskussionsverlauf.2 Die Folge dieser Ansicht, war das Streben nach allgemeiner Übereinstimmung. Jedoch gab es vor allem unter den Großgrundbesitzerfamilien auch Feindschaften, die die Solidarität der Adligen immer wieder zerstörten, sie waren außerdem diejenigen, die das liberum veto am häufigsten gebrauchten. Durch politische Intrigen und den Zwang einstimmig beschließen zu müssen, war der Sejm praktisch handlungsunfähig geworden.
Erwähnenswert ist auch die veränderte Einstellung der Szlachta hinsichtlich der religiösen Toleranz. Die Szlachta, die sich während des Höhepunktes der Reformation eine religiöse Toleranz bewahrt hatte, die in Europa selten geworden war, wurde jetzt im Zeitalter der Aufklärung, von einem katholischen Fanatismus erfasst. Das Verfolgungsfieber der Aristokratie wurde zum krankhaften Symptom ihres Patriotismus. Die politische Entwicklung der Adelsrepublik endete mit den drei Teilungen (1772/ 1793/ 1795).

3. Das Wesen des Klientelismus
3.1 Empirischer Ansatz


Laut dem Politik-Lexikon3 lässt sich der Begriff Klientelismus, wie folgt definieren: „Informelles Machtverhältnis, das auf dem Tausch von Vergünstigungen zwischen zwei Personen oder Gruppen in ungleicher Position zur Befriedigung beiderseitiger Interessen gründet. Klientelismus wird näher definiert als Beziehung zwischen einer höhergestellten Person (Patron), welche ihren Einfluss und ihre Mittel geltend macht, um einer niedriger gestellten Person (Klient) Schutz oder Vorteile zu verschaffen und von dieser im Austausch dafür Unterstützung oder Gefolgschaft erhält (z.B. Wählerstimmen gegen materielle Ressourcen). […..]“

Ausführlichere Erläuterungen zum Terminus finden sich in den Texten von I. Ahlers und A. Maczak.
Demzufolge stellt der Klientelismus eine informelle Zusatzbeziehung, zu der über Staat und Markt vermittelten formellen Matrix, dar. Der Klientelismus ist gekennzeichnet durch einen dyadischen Charakter d.h. einem interpersonalen System von Austausch und Verpflichtung. Dabei lässt sich der Gabentausch nicht ausschließlich auf ökonomische Waren reduzieren, sondern auf die Zirkulation von Menschen, Ämtern und Dienstleistungen erweitern. Das System dieses Gabentausches beruht auf einer Verpflichtungstriade, die ihren sozialen Ausdruck in der Gabenzirkulation findet4:

die Verpflichtung des Erwiderns
die Verpflichtung des Gebens
die Verpflichtung des Annehmens


Diese Ausführungen machen deutlich, dass im Gabentausch Ökonomie und Moral nicht zu trennen sind.

Ein wesentliches Merkmal, der vermittelten Interaktion von Patron und Klient, ist die Symbolik. Diese Symbolik findet ihren Ausdruck in Ritualen des Besuchs, des Grüßens, des Bezeugens der Ehrerbietung und Höflichkeit, des Veranstaltens von Festen und Gastmahlen. Im frühneuzeitlichen Europa musste der Pächter die Tracht seines Herren tragen. Die Tracht stellte das äußere Zeichen von Loyalität dar. All diese sozialen Vorgänge besitzen einen Gruppenstabilisierenden Charakter und haben den Sinn sich permanent des gegenseitigen Zusammenhalts zu versichern. Auf die Beziehung und die Loyalität zwischen dem Patron und den Klienten werde ich im Laufe der Hausarbeit näher eingehen. Interessante Ansätze lassen sich im Text von A. Maczak5 auffinden, er bedient sich vier Teilkategorien, die es ihm ermöglichen mit dem Terminus differenzierter zu arbeiten:

1.Landsmannschaft
2.Verwandtschaft
3.Freundschaft
4.Patronage


In seinem Diskussionsbericht bestand Konsens darüber, dass die spezifische Ausgestaltung der Patron-Klient Beziehungen, ebenso wie ihre Funktion in der Gesellschaft von den jeweiligen sozialen, politischen und ökonomischen Gesamtzusammenhang geprägt ist. Die Hauptprobleme sind also die spezifischen Funktionen und nicht die inhaltlichen Aspekte von Patronage.

3.2 Der Klient

Diesen Typ eines Politikers nannte man auch „Konfidenten“, „Vertrauten“ oder „Vertraulichen.“6 Daraus kann man zum einen schlussfolgern, dass der Kontakt zwischen dem adeligen Führer und dem Magnaten intensiv war und zum anderen, dass der Magnat seinem bedeutenden Klienten hohes Vertrauen entgegenbrachte. Generell kann man von zwei unterschiedlichen Typen von Klienten sprechen, einerseits die Personen, die politisch aktiv waren und andererseits Personen, die nur temporär oder nur ökonomisch von Großgrundbesitzern abhängig waren. Da die meisten Klienten existentiell vom allmächtigen Patron abhängig waren, waren sie diesem im allgemeinen bis zum Lebensende verbunden. Die Belohnung der Anhänger war nicht nur materieller Art, deswegen lassen sich unterschiedliche Motive konstatieren, die für eine Klient- Patron Beziehung sprechen: die Aussicht auf Belohnung; die Furcht vor Unterdrückung; und die Notwendigkeit einer Protektion. Nach Z. Zielinska schuf eine viel versprechende und erfolgreich ausgeführte Protektion bei der Erlangung von Ämtern, den bedeutendsten Anreiz, um eine Beziehung mit dem Patron einzugehen. Die Klientel-Beziehungen entstanden also aus den Bedürfnissen von zwei Parteien heraus gemeinsame Sache zu machen, der Klient behielt seine persönliche Freiheit, es gab Spielregeln für beide Partner und die Möglichkeit des Klienten den Patron zu wechseln. Diese Merkmale unterscheiden Patronage wesentlich von Unterdrückung.


3.3 Der Patron

Die Institution des Patrons stützte sich auf zwei Grundvoraussetzungen7:

1.Macht
(Zugang zu Ressourcen und die Fähigkeit politische Entscheidungsprozesse zu steuern und zu kontrollieren. Der Zugang zu Ressourcen eröffnet die Möglichkeit zur (Re)-Distribution. Ressourcen können Grund und Boden sein, dies gilt besonders für den klassischen Klientelismus)

2.Verbundenheit mit den adeligen Brüdern

Die Zugehörigkeit zu dieser Elite, setzte sich deswegen aufgrund verschiedener Machtquellen zusammen. Der Patron musste zumindest zum mittleren Adel gehören.
Das Prestige schuf die Grundlage für die auf Vertrauen zum einzelnen oder zur Gruppe gestützte Autorität. Diesem Vertrauen war es zu verdanken, dass sich der Adel seinen Anführern unterordnete und ihnen oft zu sehr bedeutenden politischen Positionen im System der Adelsdemokratie verhalf. Zu Beginn des 16 Jahrhunderts bestand die Elite aus königlichen Günstlingen, Adelsführern und Beamten. Diese Elite hatte eine Verbindungsfunktion zwischen dem Herrscher und der Adelsgemeinschaft. Die Aufgaben waren die Verteidigung der Rechte der Republik, den Bürgern Rechtsschutz zu sichern und die Forderungen des Adels zu artikulieren und durchzusetzen. Die Herrscher sahen in der Elite eine nützliche Mittlerrolle, die eine Regierung ohne die Teilnahme der Gesellschaft ermöglichte. Als Gegenleistung konnte sich die Elite an der Regierung beteiligen, bekam Prestige und Autorität und war im Besitz von Ämtern und Krongütern. Ein wesentliches Machtelement war die Verteilung von Gütern und die Vergabe von Ämtern.8 Die Machtausübung dieser Gruppierung nahm institutionalisierte Formen an, sie beruhte auf Autorität und war das Resultat des königlichen Vertrauens. Aus wissenschaftlicher Sicht, spricht man von einer vertikalen Ausdehnung von klientelistischen Netzwerken, die durch die Zwischenschaltung von sogenannten „Brokern“ (Vermittlern) zu Stande kommen. Sie ebnen dem Patron einerseits den Zugang zu potentiellen Klienten, indem sie ihre Unterstützung mobilisieren, und kontrollieren andererseits gegenüber den Klienten den Zugang zum Patron. Vermittler sind dann erforderlich, wenn zwischen potentiellen Partnern einer Klientelbeziehung eine große soziale oder geographische Distanz besteht9. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Machtelite in Polen nie eine gesellschaftlich einheitliche Gruppe war. Auch zu der Zeit, als sie sich vollständig aus dem Beamtentum rekrutierten, waren ihre Mitglieder Vertreter verschiedener Adelsschichten. Konkret sah die Rekrutierung adeliger Freunde ins Klientel-System, wie folgt aus10:

Aus dem engsten Familien- und Verwandtenkreis; Damals war der Familienbund noch intakt, familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl zu zeigen, wurde als eine moralische Verpflichtung angesehen
Aus dem Kreis der Beamten von Adelsgerichten und anderer Adelsbehörden. Zur Ausweitung dieses Kreises trugen andere Adelige bei, die Protektion bei derartigen Würdenträgern suchten
Aus dem Kreis politisches Bundesgenossen. Aus dem Kreis des Kleinadels, der in der Nähe des Gutes lebte (Nachbarschaft)
Aus dem Kreis Privatbeamter


Wie bereits erwähnt, kann man konstatieren, dass es ein intensives Verhältnis zwischen Patron und Klient gab. Nun stellt sich die Frage nach der wahren emotionalen Verbundenheit des Klienten zum Patron. Ausgehend von den Thesen von A. Maczak, kann man eine echte Verbundenheit (Liebe; Treue) nicht ausschließen, jedoch waren viele Zeichen der Zuneigung gegenüber des Patrons nur Konvention. Die Texte aus Polen-Litauen zeigen, dass dort die Rhetorik des Klientelismus gut entwickelt und sehr konventionell war.
Nach I. Ahlers und D. Gholamasad gilt grundsätzlich, dass die Bewusstseinsstrukturen innerhalb der Patron-Klient Beziehung, von einer primitiven Loyalität gekennzeichnet sind. Diese äußern sich z.B. in den Lobpreisungen des Klienten über seinen Patron. Des weiteren bleibt festzuhalten, dass stille Gewalt in der Patron-Klient Beziehung anwesend ist. Der Klient verzichtet auf Autonomie und passt sich an das traditionelle System der Rangordnung an. Diese Dominanz des Traditionalen bewirkt bis heute in vielen Ländern der dritten Welt die tiefe Verankerung des Klientelwesens und hat Gegenstrategien einer sozialen Mobilisierung und politischen Modernisierung verhindert. Dieser Ausschluss der bäuerlichen Bevölkerung von der politischen Willensbildung haben der Patronage gute Möglichkeiten zum Überleben geboten. Denn die Ferne der bürokratischen Eliten in den Städten von der sozialen Realität auf dem Lande, geben den Patronen bis heute ein Monopol bei der Verteilung von Gütern und Zuwendungen.


3.4 Verschiedene Typen von Klientel-Systemen11

Agrarklientelismus:
Der Patron hat die Verpflichtung, die physische Sicherheit und die Selbstversorgung seiner bäuerlichen Klientelschaft zu garantieren, d.h. vom Typus der Wirtschaftweise beruht der Agrarklientelismus auf einer paternalistischen Moralökonomie, in der wirtschaftliche Gerechtigkeit und Solidarität den Vorrang haben sollten, um so das alltägliche Leben zu gewährleisten.

Territorialklientel/ Personalklientel:
Die Territorialklientel lässt sich am deutlichsten in Polen skizzieren, wo große Gruppen von Kleinadligen eher kollektiv als kleine Ansiedlung oder als Clan, denn als eine Gruppe von Individuen, auftauchen.

Langfristige und Kurzfristige Patronage-Beziehungen:
Kurzfristige Beziehungen wären zur Lösung eines spezifischen Problems entstanden und danach gelöst oder abgeschwächt gewesen. Langfristige Beziehungen konnten sogar bis an das Lebensende des Klienten oder Patrons bestehen.

Kirchenpatronage:

Der Klientelismus und die Konfessionalisierung waren zwei der Stützen des Formationsprozesses für den absoluten Staat. Im einfachen mittelalterlichen Sinn meint Klientelismus, vor allem auch Aufstieg in kirchliche Ämter.

Wahlpatronage:
Am Beispiel Polens, kann man feststellen, dass das umfassende Wahlrecht zu einem starken Anwachsen von Patronage zu Folge hatte. Es stellte ein Gleichgewicht zwischen den Forderungen der Klienten nach Geld und materieller Unterstützung und dem Wunsch der Landbesitzer nach demonstrativer Unterstützung bei Wahlen.

Schutzpatronage:
Tendiert dazu scharfe Klassenunterschiede auszugleichen und lokale Konflikte zu glätten.

Oppressive Patronage:
Informelle Hörigkeit des niederen Klienten. Diese Bindung wird vom stärkeren Partner erzwungen und ist eine Manifestation eines scharfen Klassenkonflikts.

4. Zwischenresümee

Der Verfallsprozess der königlichen Autorität wurde durch die Einführung des liberum veto und die damit verbundene Desintegration des Parlaments noch weiter beschleunigt. Aufgrund der permanenten Rivalitäten zwischen den einzelnen Magnatenfamilien, kam es häufig zu Konflikten, die selten eine gemeinsame politische Haltung präsentierten. In dieser politischen Atmosphäre gab es Versuche die eigene Macht zu stärken, indem die gesellschaftlichen Gruppen bzw. deren Adelsführer Klientel- Beziehung eingingen. A. Wyczanski spricht von einer Kunst, die darauf beruhte aus Gelegenheitsdiensten und Gefälligkeiten ein dauerhaftes Band und eine solidarisch politische Gruppe zu schaffen. Es gibt also einen schwächeren Partner, der sich Schutz und Förderung durch einen Stärkeren erhofft, und der wiederum im Gegenzug um einen zahlreichen Anhang bemüht ist. Überall wäscht, auch wenn es ein Austausch zwischen Ungleichen bleibt, eine Hand die andere. Das Grundprinzip von Patronage ist in Raum und Zeit ähnlich. Die Vorteile, die mit Hilfe von Patronage hereingespielt werden sollen können unterschiedlich sein12. In Polen dominierten die Bitten um einen königlichen Gunsterweis, darunter viele Amtsverleihungen. Aber auch das Wahlrecht, zwang die Patrone ihre Klientschaft über die täglichen ökonomischen Interessen hinaus zu erweitern. Diese Ausführungen zeigen uns, dass gerade durch die Koexistenz verschiedener Patronagearten, das Patronage-Muster eines Landes bestimmt wird.

5. Klientel-Systeme im Ländervergleich13

1. Frankreich:
Klientelbeziehungen waren gang und gäbe. Für die zweite Hälfte des 16 Jahrhunderts lassen sich deutlich Klientelcliquen abgrenzen. Unklar ist die Stabilität und Dauerhaftigkeit.

2. Niederlande:
Der Höhepunkt lag im 15ten Jahrhundert, unterschiedet sich sehr von Frankreich. Patronage war ein wichtiges Machtmittel in den Händen der Regierung. Politische Unterstützung, die die Klienten boten, wurde als ein Teil des politischen Handelns verstanden. Die Käuflichkeit der Ämter wurde von den Ständen als dreiste Korruption betrachtet. Im Zuge der Modernisierung verschwand hier die Patronage schon zu Beginn des 17ten Jahrhunderts.

3. Polen-Litauen:
Die Rolle der Klient- Patron Bindungen war in Polen-Litauen größer als anderswo. Denn hier bildeten sie nicht etwa eine ergänzende oder konkurrierende Ordnungsform, sondern sie lieferte die eigentliche alle geschriebenen Gesetze entwertende, Ordnung des Staates. Formal handelte es sich noch immer um eine Adelsdemokratie mit Landtagen auf denen Abgeordnete für den Reichstag, sowie Adelsvertreter für bestimmte Gerichtshöfe gewählt wurden. In Wirklichkeit wurden die „freien Wahlen“ von den Parteihäuptern und ihren Handlangern gesteuert, die alle Register von Patronage und Klientel zu ziehen wussten. Parlamentarische Einrichtungen wurden so über klug eingesetzte Patronagebeziehungen zu magnatischen Werkzeugen umgeschmiedet.

Wie stürmisch sich Polen wandelte, ist in der Person von Johann Zamoyski zu sehen. Er begann als Tribun der Adelsdemokratie (1572/73)  Kronkanzler und Hetman  mächtigster Magnat des Reiches. Die Magnaten waren ökonomisch und politisch erstarkt, fühlten sich unabhängig und konnten sich trotz innerer Zerstrittenheit eigene Ziele, eine eigene Politik und sogar eigene Streitkräfte erlauben. Allmählich machte sich eine eigenständige Politik der Potocki, Radziwill und Wisniowiecki bemerkbar.Bei der damaligen politischen Frontenbildung der Gesellschaft gab es selbstverständlich Versuche seitens des Königs und einzelner Magnaten, den eigenen Einfluss zu festigen. Vor allem ging es hierbei um die Politik der Nominierungen und Donationen, die vom Monarchen geleitet wurden, sowie um die Etablierung von Patron-Klient Beziehungen seitens der Magnaten. Johann Zamoyski hatte wesentlichen Einfluss auf die Mehrzahl der Nominierungen. Er gewann nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit einen starken Kern von Parteigängern im ganzen Land. Das Netz seiner Gefolgschaft, das er knüpfte nahm den Typus der später landesweit ausgespannten Magnatenfaktionen vorweg. Das Beispiel zeigt, dass inmitten eines Staates, dessen Souveränität mittlerweile eindeutig beim Reichstag lag, war der altertümliche Typus magnatischer Macht erneut im Vormarsch. Nach Tygielski ist das Phänomen als solches nicht gefährlich für den Staat, solange die Machtelite nicht zu zahlreich wurde, d.h. die Zahl von klientelen Interessengruppen vernünftig begrenzt und ein politischer Konsens noch möglich war. Im Falle Polens erwies sich das politische Modell, das Zamoyski aufgebaut hatte, jedoch als zu attraktiv, die Zahl der konkurrierenden Patronagesysteme stieg schnell und trug maßgeblich zur Ineffizienz des Staates bei. Klientel-Systeme waren in Polen im Begriff als vorrangiges, wenn auch informelles Prinzip politischer Macht zu gedeihen.

5.1 Vier Bedingungen für die Etablierung und Durchsetzung von Klientel-Systemen14

ein Patron muss über ökonomische Ressourcen verfügen, meistens Land oder Beschäftigung, weil er sonst nämlich nicht in Konkurrenz zu anderen Patronen treten kann, um seine Gefolgschaft zu erweitern. Aus der Sicht der Klientschaft bedeutet dies, die besondere Verpflichtung bzw. Dienstleistung, ihrem Patron neue Mitglieder anzuwerben die Klienten dürfen sich nicht gegen ihren Patronen verbünden. Die Klientschaft betrachtet ihren Patron danach, ob er ein guter oder schlechter ist die Abwesenheit einer Ethik der öffentlichen Verteilung von Ressourcen ist festzustellen. Deswegen erfolgt die Distribution des gesellschaftlichen Reichtums nicht nach allgemeinen sozial akzeptierten Kriterien, sondern nach privaten und persönlichen

Klientel-Phänomene sind nicht an bestimmte Gesellschaftsformen gebunden, Patronage kann unentbehrlich sein, trotz krass abweichender Bedingungen. Demnach können die möglichen Gründe für die Ausbreitung des Klientelismus unterschiedlicher Natur sein. Die historische und praktische Grundlage des Bedürfnisses nach derartigen Beziehungen bestand in der Unfähigkeit der Regierungen auf lokaler Ebene effektiv zu arbeiten. Je reicher und mächtiger die zentrale Monarchie war, desto attraktiver war auch die Rolle dieser Vermittler. Dem Anwachsen der Staatsgewalt folgte demnach oftmals die Ausweitung des Patronage-Systems.

6. Aktualität der Thematik

Die Modernisierung des Klientelwesens bedeutet eine Transformation von Patronagegruppen zu regionalen Eliten, ein Prozess der in Spanien und Italien weitgehend abgeschlossen ist.
Anhand der sizilianischen Politik lässt sich der moderne Klientelismus am deutlichsten darstellen. Die Organisation richtet sich nicht nach formalen Gruppenstrukturen, sondern nach dem Muster der Familie, mit streng geregelten Bindungen. Der Mafiosi ist auch eine Art Patron an der Spitze einer Klientelkette, aber der entscheidende Unterschied zu anderen Patronen ist die Anwendung illegaler Methoden in hohem Maße zur Durchsetzung seiner Ziele, sowie die Gewalt15. Die eigentliche Machtbasis war das Wahlsystem. Der Einbezug der Parteien ins Patronagegefüge bedeutete nicht, dass in diesem politischen Mafia-System etwa ihre Wahlprogramme im Mittelpunkt standen. Sondern es wurden Personen an die Macht gebracht, die über Einfluss und Vermögen verfügten und so mit ihrer Anhängerschaft die lokale und regionale Politik dominierten. Das Wahlverhalten ist also durch persönliche Loyalität zum Patron geprägt und nicht durch individuelle Abwägung der Interessen. In Sizilien wurde die Mafia zunehmend unabhängiger von der Politik und bekam Wählerstimmen gegen Aufträge und Protektion. Ein anderes Beispiel aus Spanien16 zeigt, dass der Klientelismus in der spanischen Restaurationszeit (1876-1902) auch eine positive Integrationsleistung darstellte. Die Parlamentarier wirkten als Vermittler zwischen den traditionell verfassten ländlichen Gemeinden, in denen persönliche Abhängigkeitsverhältnisse fortlebten, und dem bürokratisch verfassten Zentralstaat. Das wachsende Interesse an Korruption als historisches Phänomen, das wieder belebte Interesse an Ämterkäuflichkeit verspreche Fortschritte im Wissen über Klientel-Systeme.

7. Schluss

Klientelismus war und ist kein einheitliches System, sondern eine Methode das öffentliche Leben und öffentliche Beziehungen zu organisieren. Man könnte sagen: „patronage makes the world go round.“
Die Patron- Klientel Beziehungen durchzogen alle Ebenen der Gesellschaft. In Polen vollzog sich die Ausbreitung von Patronage-Beziehungen am intensivsten vom 16. bis zum späten 18. Jahrhundert. Das kann als Folge der Entwicklung der Marktwirtschaft bzw. mit einem Wachstum der Macht der Magnaten in Verbindung gebracht werden. Ebenfalls bleibt festzuhalten, dass das Verhältnis zum Staat im modernen Sinn grundsätzlich ambivalent war. Der Staat konnte Klientelismus und Patronage bald auf der Seite der Aktiva, bald auf der Seite der Passiva verbuchen, sie konnten unter bestimmten Umständen einer Verstärkung der Staatsbildung gedient haben, andererseits aber auch zu einer Zersetzung der Staatsgewalt geführt haben. Die Ausführungen der Hausarbeit erlauben einen differenziertere Perspektive hinsichtlich der Adelsrepublik Polen. Gleichzeitig werden auch neue Fragestellungen artikuliert, so z.B. inwiefern die Klientel-Systeme mit Schuld an dem Zerfall der Adelsrepublik haben? Eins ist sicherlich klar geworden, dass die Unvereinbarkeit der Szlachta mit ihren eigennützigen Ambitionen einzelner Mitglieder, die destruktive politische Ordnung Polens , manifestierte. Ein äußeres Einheitsprinzip wäre notwenig gewesen, um den Staat zusammenzuhalten, denn „keine Monarchie, kein Adel; kein Adel keine Monarchie.“(Montesquieu).

copyright Autor: Ania Buchholz

Literaturverzeichnis

Ahlers, Ingolf/ Dawud, Gholamasad: Klientelismus und private Patronage. Eine sozialwissenschaftliche Betrachtungsweise (das Beispiel der Türkei)

Holtmann, Everhard (2000): Politik Lexikon, Oldenbourg Verlag München

Maczak, Antoni: Patronage im Herzen des frühneuzeitlichen Europa, Einleitung zur Diskussion; Diskussionsbericht

Opalinski, Edward: Die Machteliten in Polen im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Schramm, Gottfried: Patronage im Staat, Patronage an Stelle des Staates

Wyczanski, Andrzej (2001): Polen als Adelsrepublik; fibre Verlag

Zielinska, Zofia: Magnaten und Adel im politischen Landleben Polen-Litauens des 18. Jahrhunderts


ID Nr.: 34
Suchwörter: Polen, Klientel, System, Patronage, Patronen.
Kategorie: Bildung & Wissenschaft  Bildung & Wissenschaft
Artikeltyp: Partner Artikel
Hinzugefügt: 03.11.2007
Autor: Ania Buchholz
  Bildung & Wissenschaft
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